Wie bereits in einem vorherigen Blog erläutert wurde, begeht derjenige, der in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand ein Fahrzeug im Straßenverkehr begeht zumindest den Straftatbestand „Trunkenheit im Verkehr“ des § 316 StGB.
Dieser Blog schließt sich thematisch an und beschäftigt sich mit der Frage, ob eine alkoholisierte Autofahrt möglicherweise gerechtfertigt und dementsprechend ausnahmsweise nicht strafbar sein kann.
Einleitend sei das Augenmerk auf folgenden Fall gerichtet: Eine Person konsumiert größere Mengen Alkohol und ist – sie weist mehr als 1,1 Promille auf – absolut fahruntüchtig. Plötzlich verletzt sich ein Familienangehöriger schwer und ist auf dringende ärztliche Versorgung angewiesen. Die alkoholisierte Person fährt den Verletzten ins Krankenhaus. Hat sie sich strafbar gemacht oder ist ihre Fahrt gerechtfertigt. Wie im Rahmen des vorherigen Blogs erläutert wurde, kommen als verwirklichte Strafbestände die Trunkenheit im Verkehr, §316 Strafgesetzbuch (StGB), und – im Falle eines Unfalles oder zumindest einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer – auch eine Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB) in Betracht. Gerechtfertigt könnte die Handlung jedoch aufgrund eines rechtfertigenden Notstandes nach § 34 StGB. Hiernach ist eine Güterabwägung vorzunehmen zwischen dem durch die Fahrt im alkoholisierten Zustand verletzten Rechtsgut und dem geschützten Interesse, also dem Leben oder zumindest der Gesundheit des Verletzten.
Verletzt wird durch die Trunkenheitsfahrt das hohe Rechtsgut der Sicherheit des Straßenverkehrs, also insbesondere das Leben und die Gesundheit der anderen Straßenverkehrsteilnehmer.
Da eine Abwägung des Lebens des Verletzten gegen das Leben anderer Verkehrsteilnehmer ausscheidet, ist eine Rechtfertigung von vornherein bei Verwirklichung der Straßenverkehrsgefährdung ausgeschlossen, also dann, wenn durch die Trunkenheitsfahrt eine konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gegeben ist.
Eine Fahrt unter Alkoholeinfluss kann somit allenfalls zu einer Rechtfertigung hinsichtlich des Straftatbestandes der Trunkenheit im Verkehr führen. Jedoch ist dies nur dann vorstellbar, wenn die bestehende Gefahr für den Verletzten nicht anders abwendbar ist. Unter Berücksichtigung des bestehenden flächendeckenden Rettungsnetzes ist kaum ein Szenario denkbar, in dem kein Rettungswagen oder sogar Rettungshubschrauber rechtzeitig den Verletzten erreichen würde.
So lehnten etwa das OLG Koblenz in dem vergleichbaren Fall, in dem ein Freund des Trinkenden eine Augenverletzung erlitten hatte, die Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes ab. Begründet wurde dies insbesondere damit, dass die Augenverletzung ersichtlich nicht lebensbedrohend war und dementsprechend keines unmittelbaren ärztlichen Eingriffs bedurfte. Auf die Frage, ob überdies rechtzeitig ein Rettungswagen hätte gerufen werden können, kam es somit nicht mehr an.
Zusammenfassend sind nur sehr seltene Ausnahmesituationen vorstellbar, in denen die Trunkenheitsfahrt – zumindest ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer – gerechtfertigt und dementsprechend nicht strafbar ist. Im Regelfall wird ein Gericht jedoch – gerade unter Berücksichtigung des flächendeckenden Rettungsnetzes – das Vorliegen der Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes verneinen. Falls Sie eine ausführlich Beratung zu diesem Thema brauchen, freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme.