Grundsätzliches zur Pflichtverteidigung

Isabella Engelmann
22.01.2021

Tatvorwurf und Einkommen

Was bedeutet es, wenn Sie als Beschuldigter in einem Strafverfahren einen Beschluss über die Bestellung eines Pflichtverteidigers erhalten? Zunächst kommt womöglich der Gedanke auf, dass ein Pflichtverteidiger nur das Notwendigste für Sie tut, weil er vom Gericht gestellt wurde. Sie fragen sich vielleicht auch, warum Ihnen ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt wurde. Sicherlich fragen Sie sich auch, wer den Pflichtverteidiger bezahlt.

Zunächst einmal ist ein Pflichtverteidiger ein notwendiger Verteidiger. Den Begriff „Pflichtverteidiger“ finden Sie im Gesetz nicht, es gibt allerdings den §140 STPO, in dem die Fälle aufgezählt werden, in denen eine Verteidigung notwendig ist. Das bedeutet, dass die Strafprozessordnung Fälle aufzählt, in denen ein Beschuldigter nicht ohne Verteidiger bleiben darf. Diese Fälle werden im Einzelnen in §140 I STPO aufgezählt.

Sollte ein solcher Fall nicht vorliegen, könnte §140 II STPO greifen. Demnach ist eine Pflichtverteidigung indiziert, wenn wegen der Schwere der Tat oder der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig wird oder der Beschuldigte sich selbst nicht verteidigen kann.

Oft fragt man sich, in Anlehnung an die Verfahrens- oder Prozesskostenhilfe, ob man eine Pflichtverteidigung beantragen kann, wenn man wenig bis gar nichts verdient. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Die Pflichtverteidigung hat mit dem Verdienst nichts zu tun. Vielmehr hängt die Pflichtverteidigung vom Tatvorwurf und der zu erwartenden Strafe ab.

Es wird also ein notwendiger Verteidiger bestellt, wenn der Tatvorwurf und damit die zu erwartende Strafe so gravierend sind, dass der Beschuldigte ohne Anwalt chancenlos wäre. Mit dem Einkommen oder Vermögen hat das nichts zu tun.

Grundsätzlich können Sie sich Ihren Pflichtverteidiger auch aussuchen. Allerdings sollten Sie dies vorher mit dem Anwalt Ihrer Wahl besprechen. Nicht jeder Anwalt ist bereit dazu, da er nicht die gleiche Vergütung wie ein Wahlanwalt erhält. Ein Anwalt ist dazu auch nicht verpflichtet.

Mit der Übersendung der Anklage erhalten Sie den Hinweis, dass das Gericht beabsichtigt, Ihnen einen Pflichtverteidiger beizuordnen. Sie haben dann in der Regel eine Woche Zeit dem Gericht mitzuteilen, wen Sie sich als Pflichtverteidiger wünschen. Reagieren Sie nicht, wird Ihnen ein Pflichtverteidiger beigeordnet. Die Gerichte suchen dann aus den Listen, auf denen sich Strafverteidiger als Pflichtverteidiger haben eingetragen lassen, einen beliebigen Strafverteidiger als Pflichtverteidiger aus. Die Beiordnung ergeht per Beschluss des Gerichts.

Sofern Untersuchungshaft angeordnet wird, werden Sie bereits bei der Vorführung vor dem Richter gefragt, ob Sie einen bestimmten Anwalt als Pflichtverteidiger wünschen. Auch in diesem Fall haben Sie die Möglichkeit, innerhalb einer Woche einen solchen zu benennen. Auch in diesem Fall sollte dies vorab mit dem Anwalt Ihrer Wahl besprochen werden.
Wie bereits erwähnt, erhält der Pflichtverteidiger eine geringere Vergütung als der Wahlverteidiger. Der Pflichtverteidiger rechnet zunächst direkt mit der Staatskasse ab.

Werden Sie jedoch im Verfahren verurteilt, haben Sie meist auch die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Dies bedeutet, dass die Kosten letztendlich von Ihnen übernommen werden müssen: Das Gericht wird die Kosten, die an den Pflichtverteidiger bezahlt wurden, bei Ihnen einfordern. Die Pflichtverteidigung ist also nicht kostenlos, wie von vielen fälschlicherweise angenommen.

Dies gilt allerdings nicht für Jugendstrafsachen. Wenn Sie Unterstützung benötigen, helfen wir in einem persönlichen Gespräch gerne weiter.

 

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