Unerlaubtes Entfernen

Sebastian Hermesdorf
22.09.2020

Was ist eine nach den Umständen angemessene Zeit?

Dieser Blogbeitrag beantwortet die häufig gestellte Frage, wie sich ein Verkehrsteilnehmer verhalten sollte, wenn er etwa beim Ausparken mit seinem Fahrzeug aus einer engen Parklücke oder beim Vorbeifahren in einer engen Straße ein stehendes Fahrzeug beschädigt hat.

Wer in so einem Fall einfach wegfährt, verwirklicht den Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort, der in § 142 StGB normiert ist. Hiernach ist jeder Unfallbeteiligte verpflichtet, sich gegenüber den anderen Beteiligten auszuweisen und seine Art der Unfallbeteiligung mitzuteilen. Hintergrund dieses Straftatbestandes ist die Feststellung und Sicherung der durch einen Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche: Derjenige, dessen Fahrzeug beschädigt wurde, soll die Möglichkeit haben, vom Unfallgegner oder dessen Versicherung das Geld u.a. für die Reparatur des eigenen Fahrzeuges zu bekommen.

Wenn der Geschädigte vor Ort ist, ist der Austausch der erforderlichen Informationen unproblematisch. Wie verhält man sich aber in den eingangs beschriebenen Fällen, wenn ein parkendes Fahrzeug beschädigt wurde und der Geschädigte unbekannt und nicht erreichbar ist?

Das Gesetz verlangt vom Unfallbeteiligten eine nach den Umständen angemessene Zeit zu warten, in der Hoffnung, dass dann der Geschädigte wieder zu seinem Fahrzeug zurückkehrt und dann der Unfallverursacher mitteilt, dass er den Schaden verursacht hat und dem Geschädigten der erforderlichen Informationen übermittelt.

Was aber ist eine nach den Umständen angemessene Zeit?

Über diese Frage haben sich schon zahlreiche Gerichte den Kopf zerbrochen. Was angemessen ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie etwa der Schadenshöhe, dem Unfallort, der Tageszeit, der Witterung und der Verkehrsdichte. Es spielt auch eine Rolle, wann mit dem Erscheinen des Geschädigten zu rechnen ist.

In der Regel wird eine Wartezeit von 20 bis 60 Minuten verlangt.

Es kommt aber immer auf den jeweiligen Einzelfall an.

So wäre es selbstverständlich unzumutbar von einem Verkehrsteilnehmer, der nachts auf einer unbeleuchteten Straße, an einem am Fahrbahnrand geparkten Fahrzeug vorbeigeschrammt ist, zu erwarten, alleine im dunklen eine halbe Stunde zu warten. Alternativ kann auch die Polizei über den Unfall und – ganz wichtig – die eigene Beteiligung daran benachrichtigt werden.

Nur in ganz seltenen Ausnahmefällen ist ein berechtigtes Entfernen von der Unfallstelle möglich, etwa wenn eine verletzte Person oder eigene Verletzungen dringend ärztlich versorgt werden müssen.

Um dem Geschädigten die Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche zu ermöglichen, ist der Unfallbeteiligte – nach einer angemessenen Wartezeit bzw. einem berechtigten Entfernen von der Unfallstelle – dazu verpflichtet, alle relevanten Informationen zur Verfügung zu stellen. Hierzu muss der Unfallbeteiligte entweder – sofern bekannt – dem Geschädigten oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilen, dass er an dem konkret zu bezeichnendem Verkehrsunfall beteiligt war. Von den Gerichten werden an das Kriterium „unverzüglich“ strenge Anforderungen gestellt. Schon ein vorwerfbares Zögern des Unfallbeteiligten kann ausreichen, die Strafbarkeit zu bejahen.

Ganz wichtig, weil häufig das Gegenteil behauptet wird: Das bloße Hinterlassen eines Zettels an der Windschutzscheibe des beschädigten Fahrzeuges genügt nicht, um der Strafbarkeit zu entgehen.

Es hängt von Zufällen ab, ob den Geschädigten die Mitteilung überhaupt erreicht. Wenn es etwa stark windet, anfängt zu regnen oder einfach ein vorbeilaufender Dritter den Zettel entfernt, hat der Geschädigte wieder keinerlei Möglichkeit, seinen Schaden ersetzt zu bekommen.

Wenn Sie weitergehende Fragen zu diesem Thema haben oder Unterstützung brauchen – sei es als Geschädigte(r), sei es als Verursacher(in) eines Schadens – zögern Sie bitte nicht, uns zu kontaktieren.

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