In den heutigen Zeiten kommunizieren Arbeitnehmer regelmäßig in diversen Chatgruppen. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen sich ergeben können, wenn sich Arbeitnehmer in privaten Chatgruppen in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetze und andere Kollegen äußern.
Im Folgenden sollen diese Grundsätze anhand des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 24.08.2023 näher erläutert werden. Im konkreten Fall ging es darum, dass der Kläger seit 2014 einer Chatgruppe mit fünf anderen Arbeitnehmern angehörte. Im November 2020 wurde ein ehemaliger Kollege als weiteres Gruppenmitglied aufgenommen. Alle Gruppenmitglieder waren langjährig befreundet - zwei von ihnen miteinander verwandt. Neben privaten Themen äußerte sich die Chatgruppenteilnehmer in beleidigender und menschenverachtender Weise unter anderem über Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Die Arbeitgeberin kündigte dem Kläger - als sie hiervon zufällig Kenntnis erhielt - außerordentlich fristlos. Der Kläger wehrte sich hiergegen mit einer Kündigungsschutzklage, der von den Vorinstanzen des Bundesarbeitsgerichts stattgeben wurde.
Das Bundesarbeitsgericht hat das Berufungsurteil der Vorinstanz insoweit aufgehoben und die Sache mangels ausreichender Begründung einer Vertraulichkeitserwartung an das LAG zurückverwiesen. Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses gestattet § 626 BGB eine außerordentliche fristlose Kündigung, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Einigkeit besteht darüber, dass grobe Beleidigungen des Arbeitgebers, der Vorgesetzen oder der Kollegen einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB darstellen können.
Die entscheidende Frage, um die es sich im vorliegenden Fall dreht ist diejenige, ob der Kläger berechtigterweise davon ausgehen durfte, dass der Inhalt der Chatgruppe als vertrauliche Kommunikation einzustufen ist.
Denn bei ehrverletzenden Äußerungen über nicht anwesende Dritte besteht in besonders engen Lebenskreisen eine beleidigungsfreie Sphäre, wenn die Äußerung Ausdruck des besonderen Vertrauens ist und keine begründete Möglichkeit ihrer Weitergabe besteht (vgl. BVerfG Urteil vom 17.03.2021 – 2 BvR 194/20 – Rn.33). Folglich sind in jedem Einzelfall die Umstände zu berücksichtigen, in welchem Zusammenhang und an welchen Adressatenkreis die getätigten Äußerungen gerichtet waren.
Wie das Bundesarbeitsgericht feststellt, ist für eine Vertraulichkeitserwartung eine bloß einseitige Erwartung nicht ausreichend.
Insbesondere bei einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern in einer Chatgruppe sind Zweifel an der Vertraulichkeitserwartung angebracht. Auch der Umstand, dass der Chatgruppe auch Verwandte angehören spricht nicht zwangsläufig für eine Vertraulichkeit des Inhalts. Mangels ausreichender Begründung, wieso der Kläger von einer Vertraulichkeitserwartung ausgehen durfte, hat das Bundesarbeitsgericht die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Was ist hieraus mitzunehmen?
Ungeachtet dessen, dass beleidigende und diffamierende Aussagen über andere Mitarbeiter und Vorgesetzte unangebracht sind, sollten sich Arbeitnehmer – falls sie solche Aussagen dennoch tätigen wollen – darüber im Klaren sein, welche arbeitsrechtliche Konsequenzen dies haben kann. Zum scharfen Schwert der außerordentlichen fristlosen Kündigung bei einer unberechtigten Vertraulichkeitserwartung dürften Arbeitgeber, die zuvor selbst in der Chatgruppe beleidigt wurden, regelmäßig greifen. Zögern Sie nicht, sich an mich zu wenden, falls Sie arbeitsrechtliche Fragen haben,